E-Books: Lektoren wagen die Annäherung

„Freie LektorInnen und E-Books – vorsichtige Annäherungsversuche“ war der Titel einer Diskussion im Rahmen des eBookCamps in Hamburg, zu der meine VFLL-Kollegin Ines Balcik und ich einluden.

Von Felix Wolf

Wie verändert das E-Publishing die Verlagsworkflows und welchen Platz haben freie Lektoren darin? Beim zweiten eBookCamp in Hamburg, an dem ich als Mitorganisator beteiligt war, wurden diese Fragen mit Kollegen und Kolleginnen aus der Buchbranche diskutiert. Diese Veranstaltung richtet sich an alle, die sich für das Thema begeistern und die Neues erfahren, Wissen weitergeben und vor allem gemeinsam Ideen entwickeln und die Zukunft des elektronischen Lesens aktiv gestalten möchten. Den Rahmen für diesen Austausch boten neun einstündige Sessions, deren Themen von ganz handfesten technischen Fragestellungen bis zur grundsätzlichen Debatte über neue Arten von Texten reichten.

Unter dem Titel „Freie LektorInnen und E-Books – vorsichtige Annäherungsversuche“ luden Ines Balcik und ich zu einer Session über die Rolle freier Lektoren in der digitalen Buchwelt ein. Ines warf zunächst einen Blick auf den Weg zur Publikation und kam zu der Schlussfolgerung, dass die wesentlichen Schritte – Konzeption, Texterstellung, Überarbeitung, technische Aufbereitung, Schlussredaktion – weiterhin Bestand haben. Kernkompetenz des freien Lektorats bleibt dabei die inhaltliche und sprachliche Überarbeitung von Manuskripten, unabhängig davon, ob es sich um Text für ein gedrucktes Buch oder um „Content“ für eine elektronische Publikation handelt. Auch die Konzeption von Veröffentlichungen und die abschließende Qualitätskontrolle gehören weiter zu unseren Aufgaben. Doch die Neuerungen zeigen sich im Detail. Wir müssen in der Lage sein, zum einen die besonderen Anforderungen und Möglichkeiten von E-Books in unserer Arbeit zu berücksichtigen und zum anderen mit neuen technischen Werkzeugen umzugehen. Bereits bei der Konzeption gilt es beispielsweise, darüber nachzudenken, ob und wie sich interaktive Elemente, Grafiken, Bilder oder Videos einbinden lassen. Viele Merkmale des gedruckten Buches lassen sich nicht eins zu eins auf das E-Book übertragen. Was die technische Seite angeht, bekommt die saubere Formatierung von Word- und InDesign-Dokumenten größeres Gewicht, da sie Voraussetzung für eine reibungslose Verarbeitung im digitalen Workflow ist. Zusätzlich kann es – je nach Auftraggeber – hilfreich sein, wenn wir den Umgang mit Datenstrukturierung durch XML und HTML5 sowie mit Datenbanksystemen beherrschen. Wer seine Zielgruppe in der wachsenden Zahl von Self-Publishing-Autoren sieht, sollte sich mit der Umwandlung von Word-Manuskripten in die E-Book-Formate von iBooks-Store, Amazon und Co. auseinandersetzen.

Fehler vermeiden durch zentrale Qualitätskontrolle

In meinem eigenen Vortrag ging ich der Frage nach, welche Besonderheiten in der Qualitätssicherung die E-Book-Produktion mit sich bringt. Viele Probleme lassen sich bereits bei der Konzeption vermeiden. Lektoren, die hieran beteiligt sind, sollten sich über mögliche Fehlerquellen, wie z. B. die Umsetzung von Verzeichnissen oder Registern und die Verknüpfung von Verweisen über Hyperlinks, im Klaren sein. (Zu diesen und weiteren Aspekten der E-Book-Konzeption siehe: Uwe Matrisch/Ursula Welsch: E-Books konzipieren und produzieren. MedienEdition Welsch 2011.) Doch auch im Produktionsprozess können noch Fehler auftreten, von falsch aufgelösten Ligaturen über falsche Umbrüche und Einrückungen oder Trennungen mitten in der Zeile bis hin zu ganzen fehlenden Seiten oder Kapiteln. Besonders ärgerlich und für den Leser unverständlich ist es, wenn ein E-Book von orthografischen Fehlern wimmelt, obwohl die Druckausgabe des gleichen Textes fehlerfrei ist. Das kommt oft genug vor, wenn für die E-Book-Produktion unkorrigierte Manuskriptdaten statt endgültiger Druckdaten verwendet werden, weil frühere Veröffentlichungstermine anvisiert sind als für die Printausgaben. Solche Mängel lassen sich nur aufdecken, wenn ein fertiges E-Book noch einmal abschließend Korrektur gelesen wird – und zwar idealerweise auf mehreren Geräten, um eine saubere Darstellung in unterschiedlichen Umgebungen zu gewährleisten. Oft hat jedoch das verlagsinterne Lektorat nach der Weitergabe der überarbeiteten Manuskripte an die Herstellung nichts mehr mit den Texten zu tun. Die Herstellung wiederum betrachtet die abschließende Qualitätskontrolle als zusätzliche Belastung. Zu vermeiden sind solche Schwierigkeiten möglicherweise, wenn es eine zentrale Instanz gibt, die alle Veröffentlichungskanäle gleichermaßen im Blick hat und deren Anforderungen kennt.

Eine Diskussionsteilnehmerin wies darauf hin, dass es einen solchen „Flaschenhals“ in vielen Häusern zwar grundsätzlich gebe, dass die betreffenden Mitarbeiter die komplexe Aufgabe in der verfügbaren Arbeitszeit aber kaum bewältigen könnten. Auch hier biete es sich an, Aufgaben an freie Lektoren auszulagern, die mit dem digitalen Workflow vertraut sind. Ebenfalls bestätigt wurde, dass Lektoren auch mit technischem Fachwissen bei Verlagen punkten können. Vor allem die Herstellungsabteilungen seien dankbar, wenn freie Mitarbeiter XML-Kenntnisse mitbringen.

Freie Lektoren: Mitfeilen am Konzept 

Eine Mitarbeiterin eines großen Publikumsverlages stellte fest, dass eine umfassende Qualitätskontrolle für die E-Books ihres Hauses nicht notwendig sei, da alle Abläufe perfekt auf die digitale Produktion abgestimmt seien. Fehler würden so im Vorwege vermieden, einzig ein oberflächlicher Testlauf auf verschiedenen Lesegeräten werde noch durchgeführt. Freie Lektoren seien weniger auf der technischen als vielmehr auf der konzeptuellen Seite gefordert. Gefragt seien Ideen für neue Produkte, die nicht vom gedruckten Buch ausgehen, sondern den digitalen Text als eigenständiges Medium mit ganz eigenen Möglichkeiten begreifen. Lektoren, die das entsprechende Know-how mitbringen, könnten Verlagen wichtige Unterstützung bei der Erarbeitung von E-Book-Konzepten bieten.

Die Anforderungen an freie Lektoren sind vielfältig – aber damit auch die Möglichkeiten, Kompetenzen auszubauen und diese in der Entwicklung des E-Book-Marktes einzubringen. Hier hilft nur: offen für Neues sein, Kunden direkt ansprechen und das eigene Angebot nach deren individuellen Anforderungen erweitern.

http://ebookcamp.wordpress.com

Ein weiterer Bericht von Ines Balcik:

http://sprachblog.ib-klartext.de/lektorat.php/text/notizen/ebookcamp-2012/

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